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James Geccelli
James Geccelli "Wahrscheinlichkeitsdichte" - Malerei 28.02.-29.03.2016
"Idealerweise sehen wir beim Wandern ständig schöne Dinge: saftige Wiesen, klare Seen, hübsch beschneite Bergkuppen am Horizont. Dumm nur, dass dieses Ideal in der Regel wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat. Denn anders, als unsere Erinnerung uns gern weismachen möchte, ist es eher unspektakulär, was unsere Augen beim Gehen zu sehen bekommen: den zertrampelten Pfad vor unseren Füßen, das struppige Gras am Wegesrand, Schotter, Pfützen, Wurzelwerk. Die Schönheit der Landschaft hingegen zieht die meiste Zeit über nur im Augenwinkel vorüber. Sie repräsentiert das, was man im Film die "off scene" nennen würde, jenen Möglichkeitsraum außerhalb des Bildausschnitts, in dem Dinge geschehen, die uns verborgen bleiben - weshalb wir ihn mit unserer Imagination füllen.

Der in Berlin lebende Maler James Geccelli interessiert sich schon seit langem für solche Imaginationsräume. Im Zentrum seiner aktuellen Arbeiten, die derzeit in der Galerie G zu sehen sind, steht nicht zufällig die Erkundung der Bildgrenze als Ort, an dem Bildraum und Realraum einander berühren und der Blick unweigerlich ins Flattern gerät zwischen Farbreiz und Materialvolumen, zwischen Bildoberfläche und Bildobjekt.

Ausgehend von einzelnen, horizontal gesetzten Linien, mit denen er die Leinwand in der Breite vermisst, entwickelt Geccelli seine Abstraktionen in einem langwierigen Prozess des Schichtens, Abtragens und erneuten Übermalens. Das Resultat sind wunderbar lichte Farbfeldkompositionen, die auf eine seltsame Weise rätselhaft und vertraut zugleich erscheinen. Diese Doppelbödigkeit ist durchaus beabsichtigt. Zum einen erzählt sie von Geccellis ambitioniertem Versuch, eine in ihrer Disparatheit dennoch schlüssige Form für die Balance von Intuition, Zufall, Eigendynamik und Kontrolle zu finden, der sich diese Malerei verdankt. Zugleich verweist sie auf eine Wirklichkeit jenseits des Bildes.

Mal scheinen sich die Farbfelder für einen Moment zur Detailansicht eines horizontal in den Bildraum gekanteten Gebäudekomplexes zusammenzusetzen, mal erinnern die stumpfen Weiß- und Grauflächen an den Ausschnitt eines Schiffsrumpfes bei der Grundsanierung, um kurz darauf wieder in reine Abstraktion zu kippen. Indem Geccelli hier an der Expansion des sichtbaren Bildes ins Off arbeitet, gelingt es ihm zugleich, ins Bild zu holen, was sich unserem bewussten Blick eigentlich entzieht: die Welt im Augenwinkel."

Dietrich Roeschmann, "Die Welt im Augenwinkel" Ausstellungsbesprechung Badische Zeitung 3. März 2016

 

Aus der Ausstellung






























Fotos: Marc Doradzillo
Fotos: Marc Doradzillo